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Männer in den Medien. Wie werden Männer in Film, Serie und Werbung dargestellt und rezipiert? (2006).

Studie im Auftrag des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz

Für diese Studie wurden qualitative Forschungsansätze (Interviews, Focusgruppen, Inhaltsanalysen) und quantitative Forschungsansätze (Fragebogenerhebungen und Auszählen) kombiniert, wobei die quantitativen Schritte immer auf den qualitativen Schritten aufbauten. Die Schritte im Detail:

1. ExpertInneninterviews mit 5 männlichen und 5 weiblichen Experten aus der Medienbranche, der Genderbranche oder sozialwissenschaftlich assoziierten Bereichen. (Alle verbalen Transkripte liegen vor.)
2. 18 Gruppendiskussionen (je 3 rein männliche und 3 rein weibliche Focusgruppen) zu den 3 Themenbereichen Film, Serie und Werbung mit insgesamt 181 Personen (86 Männer und 95 Frauen). Diskussionsgrundlage waren die pro Jahr jeweils 10 besucherstärksten Filme der letzten 6 Jahre für die Filmgruppen, für die Serienfocusgruppen Folgen von Serien (inkl. Sitcoms und Soap-Operas), die in einer zufällig ausgewählten Woche (24.9.2005-30.9.2005) in den quotenstärksten Sendern (ORF2, ORF1, SAT1, RTL und PRO7) gesendet wurden, und für die Werbungsfocusgruppen 94 Werbungen, die nach dem Zufallsprinzip in einer Woche (14.10-2005-05.11.2005) in den vorher genannten quotenstärksten Sendern gezeigt wurden. (Alle verbalen Transkripte liegen vor.)
3. Zusätzliche quantitative Fragebogenerhebung an den 181 TeilnehmerInnen der Focusgruppen
4. Fragebogenerhebung an einer repräsentativen Stichprobe von 2560 Personen (1225 Männer und 1335 Frauen)
5. Systematische Analyse und Codierung von 34 Filmen, 45 Serien und 90 Werbungen durch mindestens je eine(n) männlichen und weiblichen Rater/Raterin.
6. Abrundung der Ergebnisse durch eine systematische Analyse von 7 Männerjournalen (Lifestyle – Journalen)


Die wichtigsten Ergebnisse

Männer in den Medien sind zu ganz erstaunlichen Leistungen fähig, sie funktionieren noch unter den widrigsten Bedingungen oder ‚ermannen’ sich wenigstens im besten Wortsinn bis zum Ende eines Films, sie setzen alles für ein höheres Ziel ein, auch ganz selbstverständlich ihr Leben. Fragt man männliche Rezipienten, so wollen viele mit keinem dieser medialen Männer tauschen, viel zu aufreibend und gefährlich wäre so eine Existenz. Weibliche Rezipientinnen hingegen würden, wenn überhaupt, nur mit den sexuell erfolgreichen Männern tauschen wollen.

Prominentestes Merkmal von Männern in den quotenstärksten Film, aber auch in der Serie, jedoch weniger in der Werbung ist deren immer wieder dargestellte physische Gewalttätigkeit, die sich allerdings mit den Wünschen und Erwartungen des männlichen und auch einem Teil des weiblichen Publikums deckt. Sowohl Männer als auch Frauen ziehen in der Entscheidungssituation einen gewalttätigen dem ‚feigen’ Protagonisten vor, außerdem ist physische Gewalt bei den befragten Personen beiderlei Geschlechts mit Männlichkeit konnotiert. Männer beklagen aber häufiger eine unrealistische Darstellung von Gewalt; ob das aus ihrer Erfahrungsrealität zu erklären ist oder ob sich Männer mit diesem Thema einfach mehr auseinandersetzen bleibt aber im Rahmen dieser Studie unbeantwortbar. Physische Gewalt an Männern wird medial als Teaser eingesetzt; es vergehen im Schnitt weniger als 5 Minuten bis zur ersten physischen Gewalt und weniger als 10 Minuten bis zum ersten Toten. Weder männliche noch weibliche Rezipienten denken eigentlich bewusst über die Masse anonymer Toter – hauptsächlich Männer – nach. Aus der Sicht der AutorInnen wäre ein aktives Bewusstmachen dieser medialen Muster – das sich leider auch in Kinder- und Jugendfilmen findet – unbedingt angezeigt.

Ein weiteres sehr auffälliges Merkmal medialer Männer ist deren ‚Funktionalisierungsdruck’ – wenn Männer nicht oder nicht mehr die an sie gestellten Erwartungen erfüllen, dann werden sie abgewertet, problematisiert oder sind bestenfalls Stoff für die Komödie. Mut, Kompetenz, Intelligenz, Teamfähigkeit und vor allem Coolness sind für den Mann in den Medien ein ‚Must’. Für die männlichen Rezipienten sind jedoch gerade Männer, die sich diesen Anforderungen widersetzen, die eigentlichen ‚Helden’. Eine realistischere Darstellung und auch ein empathischerer Umgang mit Männern, die diesen Anforderungen nicht immer oder nicht 100%ig gewachsen sind, würde manchen männlichen Rezipienten entlasten.

Männer und Gefühl ist weder in den analysierten Medien noch bei den Rezipienten eine Selbstverständlichkeit. Es müssen noch – in Übereinstimmung mit der Meinung der Rezipienten – von den DrehbuchautorInnen eine Vielzahl von äußeren Rahmenbedingungen oder auch Extremsituationen geschaffen werden, damit es dem Mann in den Medien und auch dem Betrachter zugemutet werden kann, männliche Protagonisten beim offenen Zeigen von Gefühlen darzustellen. Wenn man sich vor Augen hält wie überbordend männliche Gefühle im Rahmen eines Fußballspiels oder anderer sportlicher Wettkampfes sein können, dann fällt diese emotionale Zurückhaltung in den übrigen medialen Bereichen besonders auf.

Auch die Sexualität fällt beim medialen Mann in den Bereich des unbedingten Funktionierens, Potenzprobleme, Potenzängste und Viagra sind keine medialen Themen für einen männlichen Protagonisten, maximal für Randfiguren oder Männer in der Komödie. Das steht aber im Gegensatz zu den sowohl männlichen als auch weiblichen Rezipienten, die sich auch hier durch eine realistischere Darstellung besser angesprochen fühlen würden. Dass Männer in den Medien meist weniger nackt auftreten als die Frauen, wird durchaus als Ungleichgewicht empfunden.

Der promiskuitive Mann ist in der medialen Welt nicht mehr positiv besetzt, häufig wechselnde Sexualpartnerinnen werden als ein Zeichen von Charakterschwäche, Machismo oder auch Brutalität gewertet. Auch sexuell korrektes Verhalten bei Männern ist in Übereinstimmung mit dem Wunsch der Zuschauer in der medialen Welt ein ‚Must’. Sexuelle Ablenkbarkeit der Männer bis hin zur ‚Vertrottelung’ beim Anblick von Frauen hingegen ist aber ein durchaus gängiges Sujet. Ebenso ist es medialer Standard, dass weibliche Darstellerinnen häufig deutlich jünger sind als die männlichen Darsteller.

Der Begriff des ‚Frauenverstehers’ ist bei den jungen männlichen Rezipienten eher negativ konnotiert, und die Darstellung und Rezeption homosexueller Männer hat noch nichts Selbstverständliches.

Väter sind die Stiefkinder der Filme, die Lachnummern der Serien und auch teilweise der Werbungen und kein Thema in Lifestyle-Männerjournalen. Ein Vater ist selten ein Held, und ist er es doch, dann ist das ein Problem. Väter tragen sogar ein größeres Risiko eines gewaltsamen medialen Todes.

Die RezipientInnen sind jedoch auch im Hinblick auf die wenigen – positiv gemeinten – Väter aufgrund des mangelnden Realitätsbezuges (Vater als Kumpel oder Vater als Retter) auch eher schlecht auf diese zu sprechen.

Bei männlichen Rezipienten bis 40 steht auch in der direkten Entscheidung die ‚höhere Mission’ deutlich vor der Familie, und ist ein medialer Mann infolge von Frau und Kindern nur zur ‚Durchschnittlichkeit’ verdammt, dann ist es – nach Ansicht der RezipientInnen – besser für ihn, doch eher letztere zu vernachlässigen.

Gibt es wirklich keinen Plot für den Vater, kein Vatersujet, keinen positiven medialen Vatermythos? Doch, aber so gut wie nie für den biologischen: Es gibt den väterlichen Freund und den Mentor, der medial dem dümmlichen, schwächlichen, erfolglosen, problematischen oder einfach nur abwesenden Vater gegenübergestellt wird. Diese ‚schizophrene’ Spaltung des Vaters ist nach Ansicht der AutorInnen unbedingt zu hinterfragen, und es wäre eine Herausforderung für die Medien, interessante, realistische Vatersujets (durchaus auch mit Vorbildfunktion) zu entwickeln.

Die Komödien- und Serienlandschaft gibt dem dummen, tollpatschigen Mann eine große Bühne, vielleicht als Demutsgeste vor dem weiblichen Publikum. Letzteres denkt auch, dass Männer sich durch diese Darstellungen nicht angegriffen fühlen, weil sie sich genügend davon zu distanzieren vermögen. Insbesondere jüngere männliche Zuschauer hingegen fühlen sich aber doch hin und wieder angegriffen, und ältere männliche Zuschauer bekennen sogar, sich in manchen Figuren wiederzufinden.

Auffällig in der Werbung ist ein eher rüder Umgang mit den Männern – sie werden vom Stier niedergetrampelt, aus dem Auto geworfen, müssen Stacheldraht essen, laufen gegen Laternenmasten, werden von ihren Hunden nachgezogen und letztlich mit einem Küchentuch weggewischt – der für die Frauen undenkbar wäre. Es ist die feste Überzeugung der AutorInnen, dass diese einseitige mediale ‚Vertrottelung’ des Mannes ebenso wie der am Laufen gehaltene ‚Geschlechterkampf’ vor allem in der Werbung der Genderdebatte keinen guten Dienst erweist.

Das in vielen Aspekten eher defizitäre mediale Männerbild wird aber auf der anderen Seite durch auffällig übersteigernde Grandiositätsmythen kontrastiert. Mediale Männer haben etwas Besonderes zu vollbringen, aus der Masse herauszuragen, Erster, Bester, Auserwählter zu sein, das Unvorstellbare zu vollbringen, die gefährlichsten Gefahren zu bestehen und ‚Gott unter den Halbgöttern’ zu sein – Sujets, die sich für Frauen interessanterweise so gut wie nie finden. Ob diese Extrema nur das Bedürfnis nach Sensation befriedigen oder einem tiefen männlichen Wunsch entsprechen bleibt unklar, auffällig bei den vor allem nicht mehr ganz jungen männlichen Rezipienten ist jedoch eine gewisse Resignation vor diesen ‚Überhelden’ und ein generelles Favorisieren der ‚genialen’ Versager wie Homer Simpson [„Die Simpsons“], Al Bundy [„Eine schrecklich nette Familie“], Doug Heffernan [„King of Queens“], Lester Burnham [„American Beauty“] etc.

Die AutorInnen sind der Überzeugung, dass dieser mediale männliche ‚Grandiositätsdruck’ für viele Männer ebenso bedrohlich ist wie das medial kolportierte übertriebene Schlankheitsideal für die Frauen.

Dünn gesät in der medialen Landschaft sind ältere Männer, Durchschnittsmänner, normale Buben und Burschen, Väter, Patchworkväter, Scheidungs- und Wochenend-Väter, physisch und psychisch kranke Männer, Männer aus anderen ethnischen Minderheiten, homosexuelle Männer etc. – kurz viele, viele Männer, die unser tägliches Leben bereichern.

Aus Sicht der AutorInnen wären geeignete Konsequenzen aus dieser Studie:

· Sensibilisierung von Kindern und Jugendlichen für diese medialen Muster, reflektierter Umgang mit Kinder- und Jugendprogramm sowie Kinder- und Jugendfilmen durch Erziehungsverantwortliche. Erarbeitung eines Katalogs für Erziehungsberechtigte.

· Film- und Fernsehkritiken, die nicht nur inhaltliche, dramaturgische und schauspielerische Qualitäten berücksichtigen, sondern auch genderpolitische Aspekte, um auch erwachsene Rezipienten für diese Muster zu sensibilisieren.

· Erarbeitung und Förderung positiver und/oder realistischer Vatersujets (inklusive der Patchwork- und Scheidungsväter sowie homosexueller Väter).

· Achtung auf Genderfairness in der Werbung; Verzicht auf polarisierende Gendersujets.

· Initiierung und Förderung des Aufbaus von männlichen Gegenimages entsprechend unterstützt durch mediale Opinion Leader.